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Über das Buch
Gittie hat die Nase gestrichen voll. Seit Ihre Großmutter gestorben ist und ihre Eltern in einen Plattenbau nach Berlin-Mitte gezogen sind, hält sie es kaum noch aus. Als sie nach Beendigung der Oberschule keinen Abiturplatz bekommt, packt sie ihre Sachen und macht sich auf den Weg nach Jarosław, wo ihre Oma Hela vor langer Zeit lebte. Gittie mochte den Singsang in ihrer Stimme, sie lauschte gerne den Geschichten ihrer Großmutter, sie liebte die von ihr gekochten Speisen. Aber wo liegt Jarosław? Gittie geht zum Bahnhof Friedrichstraße, nimmt eine S-Bahn nach Erkner und fährt mit dem Zug in Richtung Frankfurt (Oder). Auf ihrem Weg trifft Gittie Jan, einen polnischen Studenten, der Deutsch in der Art von Oma Hela spricht, der Backsteingotik studiert und von dem sie etwas Polen und die Liebe lernt.
Ein Stück quicklebendiger Literaturgeschichte und ein authentischer Roman aus der Zeit vor der Wende, der die Protagonistin in lakonisch-schnoddrigem Ton ihre Reise gen Osten und eine kleine Liebesgeschichte erzählen lässt. »Die Reise nach Jarosław« ruft eine Vergangenheit auf, die viele nicht oder nicht mehr kennen, an die zu erinnern sich gleichwohl empfiehlt, da man wissen sollte, woher man kommt.
Der erstmals 1974 erschiene Roman über eine jugendliche DDR-Aussteigerin war in der DDR ein Bestseller und erschien außer in der Bunderepublik in Italien, Frankreich, Dänemark, Tschechien, Ungarn und Polen. In der DDR erregte er heftige Diskussionen. Schneider gehörte 1976 zu den Initiatoren der Proteste gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns und wurde 1979 aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen. »Die Reise nach Jarosław« war seit 1990 vergriffen.
»Werther und der Taugenichts, Tonio Kröger oder der Fänger im Roggen – bis jetzt waren die Stürmer und Dränger, die Außenseiter und Ausreißer fast immer junge Männer. Jünglinge flippten mit der Postkutsche nach Italien, pubertierende Männer flohen in Rauschzustände, männliche Jugendliche unternahmen den Revolver-Trip ins Jenseits, weil sie den Schmerz darüber nicht verwinden konnten, dass die Welt nicht so gut und nicht so schön ist, wie sie sein sollte. Im Roman des Ost-Berliner Autors Rolf Schneider, 42, ist es nun eine junge Frau, die dieses Leiden an der Welt in Rebellion umsetzt. Das ist bemerkenswert. « DER SPIEGEL
»Ich war schon Feminist, als nur Simone de Beauvoir und ich wussten, was das ist“. Rolf Schneider
Über den Autor
Rolf Schneider wurde 1932 in Chemnitz geboren, studierte Germanistik, Anglistik und Romanistik in Halle- Wittenberg und ist seit 1958 freier Schriftsteller. Nach Protesten gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns wurden seine Publikationsmöglichkeiten stark eingeschränkt, 1979 folgte der Ausschluss aus dem DDR-Schriftstellerverband.
Rolf Schneider verfasste zahlreiche Romane, Bühnenstücke, Essays und Sachbücher, die in über 20 Sprachen übersetzt wurden. Zuletzt erschienen u. a. der Roman »Marienbrücke« (2009) und die Sachbücher »Das Mittelalter« (2010) sowie die Biografie »Schonzeiten. Ein Leben in Deutschland« (2013). Rolf Schneider wurde ausgezeichnet mit dem Lessing-Preis der DDR, dem Hörspielpreis der Kriegsblinden sowie mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Er lebt heute als Autor und Publizist in Schöneiche bei Berlin.